4. September 2023

Herausforderungen in der neuen Legislatur

Anfang Mai hat die Kammerversammlung über einen neuen Vorstand entschieden. Im Interview mit dem Zahnärzteblatt hat dieser seine aktuellen Herausforderungen benannt und einen Blick vorausgeworfen.

Fünf bekannte Gesichter, zwei neue – Wofür steht der frisch gewählte Vorstand in den nächsten fünf Jahren?
Dr. Brandt: Alle im Vorstand stehen für den Wert der Freien Berufe für die Gesellschaft. Konkret setzen wir uns dafür ein, dass auch in Zukunft die gute zahnmedizinische Versorgung der Bevölkerung durch inhabergeführte Praxen erfolgt.

Auf der konstituierenden Kammerversammlung war ein häufiges Stichwort „Kontinuität“. Wie einfach lässt sich an die vergangene Legislaturperiode anknüpfen? Und wie nötig ist es überhaupt, dies zu tun?
Dr. Brandt: Mit dem Wechsel der Legislaturperiode in einem Bundesland sind die Herausforderungen für den Berufsstand nicht weg, eher kommen neue hinzu. Der umtriebige Bundesminister Karl Lauterbach feilt im Gesundheitsministerium schon an den nächsten Gesetzesvorlagen. Daher ist es gut, dass die Kammerversammlung im Vorstandsteam Kontinuität und Verjüngung berücksichtigt hat. So können wir einerseits aufgebautes Vertrauen und Netzwerke nutzen, anderseits Impulse und Ideen neuer Vorstandsmitglieder aufnehmen.


»Daher ist es gut, dass die Kammerversammlung im Vorstandsteam Kontinuität und Verjüngung berücksichtigt hat.«

Dr. Michael Brandt, Präsident der Zahnärztekammer Schleswig-Holstein

Wo liegen aktuell die größten Baustellen, die Sie gemeinsam als Vorstand der Zahnärztekammer Schleswig-Holstein angehen müssen?
Dr. Brandt: Es stehen viele Herausforderungen für unseren Berufsstand auf der Agenda. Insbesondere sind dabei zu nennen: Fachkräftegewinnung und -bindung, zahnärztlichen Nachwuchs für die Niederlassung begeistern, Bürokratieabbau und Digitalisierung sowie der Einsatz gegen investorengeführte MVZ und für eine gerechte Honorierung. Lösungsansätze für zentrale Themen wie GOZ-Punktwerterhöhung, Eindämmung der investorengesteuerten MVZ oder der Fachkräftemangel sind nur gemeinsam auf Bundesebene zu erreichen. Hier bringen wir uns aktiv in die Arbeitsgremien der Bundeszahnärztekammer ein.
Die Bürgerinnen und Bürger schätzen im Flächenland Schleswig-Holstein die wohnortnahe Versorgung. Sie wird getragen von der – oft kleinen – Einzelpraxis. Damit dies auch in Zukunft so bleibt, darf nicht überreguliert werden, wie wir es derzeit durch Landes- und Gesundheitsämter leider erleben.

Welche konkreten Aufgaben stehen in Ihrem Handlungsbereich bzw. Ressort an?
Strachanowski: Für das Ressort Praxispersonal greife ich direkt den Fachkräftemangel auf: Diesem müssen wir begegnen und über neue Konzepte nachdenken. Mit der zahlenmäßig kleineren nachwachsenden Generation werden wir nicht alle Arbeitsplätze besetzen können, die jetzt noch durch die Baby-Boomer-Generation ausgefüllt werden. Quer- und Wiedereinstieg in den Beruf können helfen, aber auch ein verändertes Arbeiten in den Praxen mit weniger Assistenz kann die Folge sein.


»Es gibt in Schleswig-Holstein so viele Beispiele für eine erfolgreiche Praxisführung, auch unter den Gesichtspunkten Vereinbarkeit Beruf und Familie und Work-Life-Balance.«

Dr. Claudia Stange, Vorstand Öffentlichkeitsarbeit & Beruflicher Nachwuchs

Dr. Stange: Ich möchte den beruflichen Nachwuchs für die Niederlassung begeistern und natürlich auf dem Weg dahin unterstützen. Es gibt in Schleswig-Holstein so viele Beispiele für eine erfolgreiche Praxisführung, auch unter den Gesichtspunkten Vereinbarkeit Beruf und Familie und Work-Life-Balance. Die Selbstständigkeit bietet hier viele Chancen. Also müssen wir diese Beispiele aufzeigen und da kommt mir natürlich auch mein zweites Ressort, die Öffentlichkeitsarbeit, zugute.
Wir brauchen auch neue Modelle der gemeinsamen Praxisführung, insbesondere wenn junge Kolleginnen aufgrund der Familienplanung lieber in Teilzeit arbeiten wollen. Und dazu gehören Veranstaltungen, um diese Modelle vorzustellen und Kontakte zu knüpfen.

Dr. Sporbeck: Vorweg kann ich mitteilen, dass es im Bereich Fort- und Weiterbildung keinen Arbeitsstau oder unerledigte Aufgaben aus der letzten Legislaturperiode gibt. Der Blick kann sich also nach vorne richten. Zeitnah gestaltet der Ausschuss Fachsprachprüfung einen neuen Fall- und Patientenpool, um eine größere Auswahl im Prüfungsgespräch treffen zu können. Für die Sylter Woche steht das Programm für 2024 vollständig, hier ist jedoch zukünftig eine landes- und bundesweite frühzeitige Bewerbung in Zusammenarbeit mit dem Referat Öffentlichkeitsarbeit wichtig. Im Heinrich-Hammer-Institut muss eine zukunftsorientierte Balance zwischen Präsens- und Onlinefortbildungen ausgebaut werden. Hierbei muss überlegt werden, welche Sachinvestition gerechtfertigt ist, um die wirtschaftliche Struktur nicht infrage zu stellen. Anfang 2024 starten wir mit einer neuen Online-Fortbildungsreihe „Tatort Dental“.
Besonders freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit den neuen Vorstandsmitgliedern Isabel Strachanowski und Dr. Gabriela Haas. Gemeinsam können wir sicher neue Impulse in den Bereichen Fortbildung für Mitarbeitende und Team sowie Seniorenzahnheilkunde und Betreuung von Menschen mit Handicap kreieren und umsetzen.


»Der komplette Bereich der Prävention hat sehr unter der Pandemie gelitten. Es besteht überall ein massiver Nachholbedarf.«

Dr. Gabriela Haas, Vorstand Prävention

Dr. Haas: Der komplette Bereich der Prävention hat sehr unter der Pandemie gelitten. Es besteht überall ein massiver Nachholbedarf. Die guten Kontakte müssen wieder aktiviert werden. „Konsolidierung“ ist die primäre Aufgabe. Diese Herausforderung nehme ich gerne an und bin über das Vertrauen der Kollegenschaft in mich sehr erfreut.

Dr. Kaden: Da der Gesetzgeber auch nach 35 Jahren eine Anpassung des zahnärztlichen Punktwerts an die wirtschaftliche Entwicklung verweigert, wird es zur Hauptaufgabe des Ausschusses Gebührenrecht der Kammer gehören, die Kollegenschaft mit den Möglichkeiten der bestehenden Gebührenordnung zu schulen und im regionalen Bereich für die Nutzung zu motivieren. Nur durch die konsequente Nutzung der GOZ können wir Zahnärzte den notwendigen Druck auf die Bundesregierung erhöhen, um die Antiquiertheit der bestehenden privatärztlichen Gebührenordnung – GOÄ und GOZ stammen im Wesentlichen aus den 1980er Jahren – zu beseitigen und um eine leistungsgerechte Honorierung erhalten.


»Nur durch die konsequente Nutzung der GOZ können wir Zahnärzte den notwendigen Druck auf die Bundesregierung erhöhen.«

Dr. Roland Kaden, Vorstand Gebührenrecht

Dr. Voss: Das Ressort Qualitätsmanagement umfasst ein breites Spektrum von A wie Amalgamabscheider bis Z wie ZQMS. Schwerpunkte liegen sicherlich im Bereich Hygiene und Medizinprodukte einschließlich der Praxisbegehungen bzw. Röntgen und Strahlenschutz. Aber auch die Bedeutung der Themen Bürokratieabbau und Nachhaltigkeit nimmt aus guten Gründen immer weiter zu.
Erstmals wurde in dieser Wahlperiode von der Kammerversammlung ein ständiger Ausschuss Qualitätsmanagement gewählt. Die Ausschussmitglieder sollen dabei den Vorstand und auch die hauptamtlichen Mitarbeiter in der Kammer unterstützen. Konkretes Ziel dabei ist es, die Herausforderungen, die sich aus den umfangreichen Themen und – nicht nur gefühlt – immer neuen Anforderungen ergeben, auf mehr Schultern zu verteilen. So wird es der Kammer möglich sein, auch in Zukunft den Zahnärztinnen und Zahnärzten im Lande mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.

Sie haben Ihre Aufgaben skizziert. Aber was erwarten Sie auch vom gesamten Berufsstand für Aktivitäten beziehungsweise Unterstützung?
Dr. Sporbeck: Auf das Referat bezogen wünsche ich mir mehr Impulse aus der schleswig-holsteinischen Kollegenschaft. Viele Ideen für Themen zur Fortbildung würden mir Freude machen, genauso bin ich aber auch für konstruktive Kritik dankbar.
Fortbildung hat auch ihren Preis: Unsere Fortbildungen werden so gestaltet und kalkuliert, dass eine kostendeckende Durchführung ohne Substituierung aus dem Kammerhaushalt erfolgt. Dies geht nur, wenn die Kolleginnen und Kollegen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch aktiv an unserem hervorragenden Programm teilnehmen.
Standespolitisch muss uns allen klar sein, dass es wirtschaftlich für unseren Berufszweig so nicht weitergehen kann. Hier erhoffe und erwarte ich, dass die Zahnärztinnen und Zahnärzte solidarisch für angemessene Honorare kämpfen. Nur so wird eine junge Generation in Freiberuflichkeit tätig sein können.


»Auf das Referat bezogen wünsche ich mir mehr Impulse aus der schleswig-holsteinischen Kollegenschaft.«

Dr. Andreas Sporbeck, Vorstand Fort- und Weiterbildung

Dr. Kaden: Die Zahnärzteschaft muss Einigkeit zeigen, nur durch die konsequente regionale Anwendung der Gebührenordnung für Zahnärzte kann der Honorarstillstand überwunden werden.

Dr. Haas: Das Team des Ausschusses Prävention kann die eben erwähnte Aufgabe der „Konsolidierung“ nicht alleine bewältigen. Wir sind auf die Mithilfe der Kolleginnen, Kollegen und den Mitarbeitenden in den Praxen angewiesen. Die Prävention ist gerade in den kleinen Praxen eine gute Möglichkeit zur Patientenbindung.
Das Patenschaftsprogramm kann wieder starten und die Menschen in der Pflege können barrierefrei aufgesucht werden. Die Einschränkungen der letzten Jahre sind glücklicherweise wieder aufgehoben.


»Der zweite Wunsch wäre, dass die Kolleginnen und Kolleginnen, bei denen eine Begehung angekündigt ist, das Beratungsangebot der Kammer nutzen.«

Dr. Kai Voss, Vizepräsident und Vorstand Qualitätsmanagement

Dr. Voss: Die nötige Unterstützung möchte ich am Beispiel der Praxisbegehungen deutlich machen. Es gibt die Begehungen durch das Landesamt für Soziale Dienste mit dem Schwerpunkt Medizinprodukte und deren Aufbereitung, durch die Gesundheitsämter mit dem Schwerpunkt Infektionsschutz und als Folge des geänderten Strahlenschutzrechts mit einem Schwerpunkt DVT-Betreiber auch durch das Umweltministerium. Die Kammer informiert über die Website und ZQMS, über das Zahnärzteblatt und den Informationsdienst aktuell über alles Wissenswerte. Mein erster Wunsch wäre, dass diese Informationen auch gelesen werden. Mit diesem Wissen ist der erste Schritt für eine Praxisbegehung ohne Beanstandungen schon gemacht. Der zweite Wunsch wäre, dass die Kolleginnen und Kolleginnen, bei denen eine Begehung angekündigt ist, das Beratungsangebot der Kammer nutzen. Die Erfahrung zeigt, dass die Begehungen von Praxen, die sich zuvor haben beraten lassen, in der Regel ohne schwerwiegende Beanstandungen oder gar Untersagungsverfügungen ablaufen. Der dritte Wunsch wäre, dass im Nachgang einer Begehung das Protokoll bzw. der Revisionsbericht an die Kammer geschickt wird. Falls es dabei Auffälligkeiten gibt, steht die Kammer wiederum unterstützend zur Seite. Melden Sie sich bitte nicht erst dann, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist.

Strachanowski: Alle Praxen spüren den Fachkräftemangel. Daher ist es wichtig, sich den vorhandenen Kräften gegenüber als fairer und zugewandter Arbeitgeber zu zeigen (Gehälter, Umgang, Arbeitszeiten, Entwicklungsmöglichkeiten), um sie zu halten und gleichzeitig aufgeschlossen zu sein gegenüber neuen Ideen wie Zuwanderung aus dem Ausland.


»Mit der zahlenmäßig kleineren nachwachsenden Generation werden wir nicht alle Arbeitsplätze besetzen können, die jetzt noch durch die Baby-Boomer-Generation ausgefüllt werden.«

Isabel Strachanowski, Vorstand Praxispersonal

Dr. Stange: Ich würde mich freuen, wenn die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen für den Beruflichen Nachwuchs mit Famulatur-Plätzen zur Verfügung stehen würden und damit als bestes Beispiel für die Niederlassung werben würden. Auch die Kreisvereine bieten Möglichkeiten, Kontakte zu knüpfen und Erfahrungen auszutauschen, davon profitieren alle!
Am meisten erwarte ich aber von unserer Kollegenschaft, dass wir endlich alle gemeinsam an einem Strang ziehen und gemeinsame (Protest-)Veranstaltungen mit der KZV und dem Freien Verband genutzt werden, um vor der Politik Einigkeit zu zeigen.

Vielen Dank an Sie alle, dass Sie sich die Zeit für dieses Gespräch genommen haben!