21. Februar 2023

Risikobewertung und Einstufung von Medizinprodukten

Die Risikobewertung und Einstufung der Medizinprodukte wird bei den Begehungen des Landesamtes für soziale Dienste (LAsD) regelmäßig überprüft. Der Hintergrund dieser Forderung und die Aspekte, die dabei zu beachten sind, sollen im folgenden Text dargestellt werden.

Anforderungen

Die/der für die Aufbereitung Verantwortliche (Praxisbetreiberin / Praxisbetreiber) muss für jedes Medizinprodukt, gegebenenfalls für die Produktfamilie, vor der Aufbereitung die Risikobewertung und Einstufung des Medizinprodukts durchführen und schriftlich festlegen. So wird es in der Empfehlung „Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten“ der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut (RKI) und des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vorgegeben.

Die Einstufung erfolgt nach Art der Anwendung und dem sich daraus ableitenden Risiko in die nachfolgend aufgeführten Risikostufen. Bei der Risikobewertung sind die Angaben des Herstellers zu berücksichtigen:

  • Unkritisch
    Medizinprodukte, die lediglich mit intakter Haut in Berührung kommen.
  • Semikritisch A / B
    Medizinprodukte, die mit Schleimhaut oder krankhaft veränderter Haut in Berührung kommen.
  • Kritisch A / B
    Medizinprodukte, die bestimmungsgemäß die Haut oder Schleimhaut durchdringen und dabei in Kontakt mit Blut bzw. an inneren Geweben oder Organen zur Anwendung kommen, einschließlich Wunden; auch Medizinprodukte zur Anwendung von Blut, Blutprodukten oder anderen sterilen Arzneimitteln / sterilen Medizinprodukten.

Nicht jeder Blutkontakt eines Medizinproduktes führt zu einer Einstufung in die Risikostufe „kritisch (A / B)“. Diese Einstufung gilt nur für Medizinprodukte, die bestimmungsgemäß die Integrität der Körperoberfläche durchdringen, die zum Beispiel dafür vorgesehen sind, zu schneiden oder zu stechen. Auch Medizinprodukte, die mit Wunden in Berührung kommen, werden der Risikostufe „kritisch (A / B)“ zugeordnet.

Eine weitere Unterteilung erfolgt nach konstruktiven und materialtechnischen Details. Bei Instrumenten mit rauen Oberflächen, Hohlräumen oder schwer zugänglichen Stellen werden höhere Anforderungen an die Aufbereitung gestellt. In manchen Fällen hat der Hersteller die Anzahl der Aufbereitungszyklen begrenzt. Diese konstruktiven und materialtechnischen Gegebenheiten haben zu einer weiteren Einteilung in den Risikostufen semikritisch und kritisch geführt:

A ohne besondere Anforderungen an die Aufbereitung
B mit erhöhten Anforderungen an die Aufbereitung

Die Einstufung ein und desselben Medizinprodukts oder Instruments kann je nach Anwendung unterschiedlich ausfallen

  • Eine bei der konservierenden Behandlung eingesetzte Pinzette wird als „semikritisch“ eingestuft. Wird das Instrument bei der invasiven Behandlung verwendet, wird es als „kritisch“ klassifiziert.
  • Eine Ratsche zum Befestigen eines Abutments auf einem Implantat im Rahmen der prothetischen Behandlung ist „semikritisch“, dieselbe Ratsche zum Eindrehen des Implantats in den Knochen ist „kritisch“ einzustufen.
  • Ein Rosenbohrer, der zur Wurzelspitzenresektion oder zur Knochenankörnung verwendet wird, ist „kritisch“ einzustufen. Wird der Rosenbohrer dagegen für die Kariesexkavation benutzt, ist er „semikritisch“.

Kommen bei der Einstufung Zweifel auf, ist das Medizinprodukt der nächsthöheren Risikostufe zuzuordnen.


Empfehlungen zur Risikoklassifikation von Instrumenten bei zahnärztlichen Behandlungen

Tabelle des DAHZ

Bedeutung für die Praxis

Durch den Kontakt mit Medizinprodukten / Instrumenten, die mit Blut, Speichel, Eiter, Gewebe etc. kontaminiert wurden, besteht sowohl für das Praxisteam als auch für die betroffenen Patienten eine Infektionsgefährdung. Aus diesem Grund ist die Aufbereitung der verwendeten Dentalinstrumente nach jeder Behandlung eines Patienten erforderlich, bevor sie bei einem anderen Patienten erneut zum Einsatz kommen.

Unterbleibt die Aufbereitung oder erfolgt sie fehlerhaft, können nachfolgende Patienten durch Kreuzkontaminationen gefährdet werden.

Die Risikobewertung und Einstufung der Medizinprodukte und Instrumente stellt die Grundlage für die Fest-legung der Aufbereitungsverfahren dar. Bei den einzelnen Risikostufen sind folgende Aufbereitungsschritte erforderlich:

  • Unkritisch
    Reinigung / Desinfektion z. B. Wisch-/ (Sprüh-)verfahren1
  • Semikritisch A
    Reinigung und Desinfektion
  • Semikritisch B
    bevorzugt maschinelle Reinigung und Desinfektion, in jedem Fall Sicherstellung einer standardisierten und reproduzierbaren Reinigung mit einschließlich der inneren Oberflächen, z. B. bei Übertragungsinstrumenten.
  • Kritisch A
    bevorzugt maschinelle Reinigung und Desinfektion, grundsätzlich verpackte Sterilisation im Dampfsterilisator.
  • Kritisch B
    grundsätzlich maschinelle Reinigung und Desinfektion im Reinigungs- Desinfektionsgerät (RDG) / Thermodesinfektor oder in Spezialgeräten für Übertragungsinstrumente, in jedem Fall Sicherstellung einer standardisierten und reproduzierbaren Reinigung mit nachgewiesener Wirkung (einschließlich der inneren Oberflächen), grundsätzlich verpackte Sterilisation im Dampfsterilisator.

Unterschiedliche Auffassungen

Die Risikobewertung einiger Medizin¬produkte fallen bei der Zahnärztekammer und dem LAsD unterschiedlich aus:

Extraktionszangen sind nach Auffassung des Deutschen Arbeitskreises für Hygiene in der Zahnmedizin (DAHZ) gemäß KRINKO-Empfehlung 2006 “Infektionsprävention in der Zahnheilkunde – Anforderungen an die Hygiene“ in die Risikostufe „kritisch A“ einzuordnen. Die Zahnärztekammer schließt sich dieser Beurteilung an.

Eine manuelle Aufbereitung ist damit zulässig. Empfehlenswert ist in diesem Fall eine Vorreinigung im Ultraschallbad, zum Beispiel mit einem enzymatischen Reiniger. Diese „teilmaschinelle Aufbereitung“ führt nachweislich zu guten Ergebnissen.

Das Landesamt für soziale Dienste klassifiziert Extraktionszangen im Gegensatz dazu als „kritisch B“. Diese Einstufung macht eine maschinelle Reinigung und thermische Desinfektion in einem Reinigungs- Desinfektions-gerät / Thermodesinfektor erforderlich.

Auch bei den Wurzelkanalinstrumenten gibt es beim LAsD eine abweichende Auffassung bezüglich der Risikobewertung.

Dazu ist Folgendes festzustellen:

Eine Reihe neuartiger Wurzelkanalinstrumente (z. B. Einfeilen-Systeme zur rotierenden oder reziproken Aufbereitung) werden von den Herstellern als sterile Einmalprodukte geliefert und dürfen nicht aufbereitet werden. Bei sehr dünnen ISO-Größen oder Extirpationsnadeln sollte auf eine Wiederverwendung verzichtet werden.

Bei den klassischen Handinstrumenten aus Edelstahl ist die Einstufung als „kritisch A“ möglich, wenn die Effektivität der Reinigung durch Inspektion unmittelbar beurteilbar ist. Dazu sollte eine Lupe verwendet werden.

Ist die Beurteilung der Effektivität der Reinigung nicht möglich oder hat der Hersteller die Anzahl der Anwendungen oder Aufbereitungszyklen begrenzt, müssen die Instrumente als „kritisch B“ eingestuft werden. Der erhöhte Aufwand besteht in diesem Fall in einer Kennzeichnung, aus der die Anzahl der noch möglichen Anwendungen oder Aufbereitungen hervorgeht. Hilfsmittel dafür sind in der Regel bei den Herstellern der Instrumente erhältlich.

Die Einstufung „kritisch B“ ist bei Nickel-Titan-Instrumenten für die rotierende Aufbereitung immer erforderlich. Es gibt aber auch bei Handinstrumenten einige Hersteller, die die Anzahl der Anwendungen begrenzen. Auch in diesen Fällen ist die Einstufung als „kritisch B“ vorzunehmen. Es ist also erforderlich, die Anwendungs- und Aufbereitungshinweise der Hersteller sorgfältig zu lesen und bei der Einstufung und Aufbereitung zu berücksichtigen.

Gegen die Einstufung des LAsD und die damit verbundenen Forderungen an die Aufbereitung kann, zum Beispiel im Fall einer Praxisbegehung, Widerspruch eingelegt werden. Die Kammer unterstützt die betroffenen Praxen dabei.


1 Eine Sprühdesinfektion ist aus Gründen des Arbeitsschutzes nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig, z. B. wenn die Oberfläche bei der Wischdesinfektion nicht erreicht werden kann.


Für Fragen:

Dipl.-Biol. Rosemarie Griebel
Qualitätsmanagement
Tel.: 0431 260926-92
E-Mail: griebel@zaek-sh.de